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Bericht
zur Gerichtsverhandlung am 01.02.2024
über die Vernichtung der 2019 am Bundestag errichteten Buchenstele Artikel 20 GG
 

 

Berlin, den 05.02.2024

Liebe Freunde,

ich möchte meinen Bericht zur Gerichtsverhandlung am 01.02.2024 geben.

Wir hatten eine Richterin, die sich des Themas mit Liebe und Interesse angenommen hatte, und sich unendlich mühte, einem Menschen mit juristischer Legasthenie die Grundsätze des Verwaltungsrechts, und warum im Sinne dieses Rechtes die Stele vernichtet werden müsse, zu erklären - und dann alles versuchte, sich selber vor einem Urteilsspruch [:-)] und die Stele auf dem Wege eines "Vergleiches" zu retten.

Und auf der anderen Seite hatten wir einen Menschen, der das zutiefst mitempfunden hatte, am Ende aber doch die so vielen angebotenen Kompromisse nicht mitgehen konnte.


Der Konflikt:

 - Muss das Recht ins Leben passen oder das Leben ins Recht?
 - Muss das Gesetz die Kunst freigeben oder muss sich die Kunst dem Gesetze beugen?

Im Grundgesetz ist die Sache längst geklärt.

Die Kunst ist frei, ist keinerlei Gesetzen unterworfen, weder das Kunstwerk selbst noch ihr Werk- und Wirkbereich. (Artikel 5 Absatz 3 GG)

Wenn ich mich auf dem Mount Everest hinauf bewegen sollte, würde ich scheitern,
denn es fehlen mir vollständig dazu die Körperkraft, das Training und die Motivation.

Wenn das Recht sich auf die Höhe der Kunst erheben soll, scheitert das Recht,
denn es fehlen ihm die Flügel – und es ist an viel zu viele Ketten gebunden.

Deswegen gibt das Grundgesetz die Kunst von allen gesetzlichen Bindungen frei.


Im Sinne des Verwaltungsrechts ist das anders. Hier kam in Bezug auf unser Kunstwerk die (entsetzte) Frage:

"Wenn jeder das machen würde, was dann?"

Es gibt den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant, der ungefähr sagt:

"Handle so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."

Und

"Handle aus Pflicht und nicht aus Neigung ..."

Ich finde immer, dass Kant ein bester Beamten-denker war, und dass seine Maximen für das Handeln im Beamtenwesen absolut angemessen sind.

Als Künstler lebt in mir ein anderes Wort:

"Handle so, dass an den Themen, die du behandelst, das Ideal zum Leuchten kommt.

Und handle so, wie es deiner eigenen tiefsten Einsicht und deinen eigenen höchsten Fähigkeiten entspricht.

Und handle in innerer Wärme, in Liebe und Neigung - und nicht aus "Pflicht".

Und handele ganz aus Dir – unabhängig davon, ob auch andere diese Einsichten und Fähigkeiten haben, und unabhängig davon, ob anderen, was Du da machst, gefällt."

Das Grundgesetz zum Leuchten zu bringen, das haben wir mit unserem Kunstprojekt getan. Wir haben das Ideal der Staatsstruktur, ohne welches das Grundgesetz ja nicht zu denken ist, zum 70sten Geburtstag des Grundgesetzes am Grundgesetz-Fragment Dani Karavans, wo es – aus übrigens sehr tiefen und sehr guten! – Gründen fehlt, ergänzend aufgerichtet. Und haben zugleich gezeigt, dass, wenn der Staat sich nicht genug um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat kümmert, es die Aufgabe der Bürger dieses Staates ist, ihn an die ihm zugrunde liegende Staatsstruktur zu erinnern und die Staatsstruktur von seiner Seite aus neu aufzurichten.


Der Geist weht wo er will ...

Hoffentlich ist er in den Stunden der Verhandlung mal bei der Regierung gewesen, was eine Wohltat für uns alle wäre. Bei mir war er in diesen Stunden jedenfalls nicht. Höchstens insofern, als er mir geholfen hat, im letzten Moment die Sache doch noch abzubrechen.

"Du hast es total verkackt", hat ein Freund von mir geschrieben. Und hat damit nicht unrecht.  

"Verkackt" ist aber nur der Gerichtstermin.
Die große Frage ist aber nicht, was unser Kunstwerk im Gericht,
sondern was der Gerichtstermin im Rahmen unseres Kunstwerkes bedeutet.
Und da war das Scheitern vielleicht sogar gut:

Das Kunstwerk hat als Triebkraft ja die Provokation.
Wenn wir im Gericht "gewonnen" hätten, hätten wir zwar die Stele wieder gehabt, der Kunst-Prozess wäre aber in einer Weise beendet gewesen, die nicht wirklich weiterführt: Wir hätten zwar gegen die Behörden gesiegt - sie würden uns aber noch tiefer als bisher als Feind erleben.

Wenn wir statt dessen nur weiter provoziert hätten, würde die Stele vernichtet werden, und die Behörden hätten, von ihrem Standpunkt her besehen, "Recht".

Die Frage für mich und uns ist aber, wie wir das gesamte, auch das juristische Spannungsfeld in die Höhe der Kunst erheben können und wie das gesamte Spannungsfeld DORT aufzulösen und das Ganze als Bild und Anstoß zu einer letztlich positiven Entwicklung zu gestalten ist.

Eine schöne Idee dazu ist jetzt bei uns vorhanden.
Auch diese Idee ist eine Provokation – wobei das Wort Provokation im Sinne seines Inhaltes als eine "Hervorrufung" zu betrachten ist.

Rückblickend kann das Scheitern im Gericht durch die Geburt dieser Idee tatsächlich als der Geburtsschmerz eines weiteren Aktes des Kunstwerks selbst aufgefasst werden.

Was da geboren wurde

seht ihr hier >>


Berlin, den 05.02.2024,
Ralph Boes